Definition: Das „Trockene Auge“
Das sogenannte Sicca-Syndrom ist eine der häufigsten Augenerkrankungen. Etwa jeder fünfte augenärztliche Patient leidet unter der Erkrankung. Umgangssprachlich wird auch vom „Trockenen Auge“ gesprochen. Alle Symptome, die durch eine reduzierte Befeuchtung der Augenoberfläche entstehen, werden dem Krankheitsbild zugeordnet. Da es sich um ein chronisches Leiden und nicht um eine vorübergehende Infektion handelt, muss eine permanente Therapie erfolgen.
Alle fünf bis zehn Sekunden wird Tränenflüssigkeit mithilfe eines Lidschlages gleichmäßig an die Augenoberfläche abgegeben. Die Flüssigkeit, welche in den Tränendrüsen produziert wird, hat mehrere wichtige Aufgaben. Dazu zählt die Sauerstoffversorgung der äußeren Hornhautschicht, das Ausschwemmen von Fremdkörpern, das Feuchthalten von Horn- und Bindehaut sowie die Beseitigung von Unebenheiten auf der Hornhaut. Zudem besitzt sie eine bakterizide Wirkung (Abwehr von Bakterien und Viren).
Der hauchdünne Tränenfilm enthält Enzyme, Eiweißstoffe sowie Antikörper und besteht aus drei Schichten. Direkt auf der Augenoberfläche befindet sich die schleimige Muzinschicht, welche Unebenheiten ausgleicht und die Haftung der nachfolgenden Schichten auf der Oberfläche deutlich verbessert. Die Mitte und gleichzeitig den überwiegenden Teil der Tränenflüssigkeit bildet die wässrige Schicht, in der Enzyme und Antikörper zum Schutz des Auges gelöst sind. Die sogenannte Lipidschicht bildet den äußeren Abschluss des Tränenfilms und ist sowohl sehr dünn als auch fetthaltig. Sie verhindert ein zu schnelles Verdunsten der wässrigen Schicht sowie das Ablaufen der Tränenflüssigkeit über die Lidkante.
Die Produktion des Tränenfilms findet überwiegend in der Tränendrüse unterhalb der äußeren Augenbraue statt. Auch eine Vielzahl kleinerer Drüsen des Lidrandes sowie der Bindehaut geben Bestandteile der Flüssigkeit ab. Sowohl die Menge als auch die Abgabe der schützenden Lösung wird durch das vegetative Nervensystem geregelt.
Am unteren und oberen, zur Nase gerichteten Lidrand befindet sich das untere sowie obere Tränenpünktchen. Die Tränenflüssigkeit gelangt über die Tränenpünktchen in den unteren und oberen Tränenkanal, anschließend in den Tränensack und von dort direkt in die Nase.
Die Ursachen eines „Trockenen Auges“
Beim Sicca-Syndrom liegt eine Veränderung der Zusammensetzung oder Menge der Tränenflüssigkeit vor, weshalb es zu Benetzungsstörungen der Augenoberfläche kommt. Dabei können die Komponenten des Tränenfilms (schleim-, wasser- und fetthaltig) oder gar die gesamte Flüssigkeit in nicht ausreichender Menge vorliegen.
Zudem lässt sich häufig eine chronische Lidrandentzündung (Blepharitis marginalis) am Auge feststellen. Die Ursachen der Entzündung sind vielfältig und können beispielsweise hormonell- oder umweltbedingt sein. Im Bereich des Lidrandes sind hierbei die Ausführungsgänge der Drüsen verstopft und können dadurch die Komponenten der Tränenflüssigkeit nicht mehr freisetzen. Die Folge ist ein schnelleres Austrocknen des Auges.
Weiterere Auslöser können chirurgische Eingriffe am Auge sein, die ein permanentes Trockenheitsgefühl zur Folge haben. Insbesondere Patienten nach refraktiver Chirurgie (z. B. LASEK, LASIK) sowie nach einer Operation des Grauen Stars sind von dem „Trockenen Auge“ betroffen.
Des Weiteren können auch verschiedene systemische Erkrankungen oder Veränderungen die Entstehung des Sicca-Syndroms begünstigen. Dazu zählen hauptsächlich Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises (z. B. Lupus erythematodes, Sjögren-Syndrom, Polyarthritis), Diabetes mellitus („Zuckerkrankheit“), einige Hauterkrankungen (z. B. Rosacea), bestimmte Medikamente (z. B. Schlaf- und Beruhigungsmittel, Betablocker, Anti-Baby-Pille), hormonelle Umstellungen bei Frauen (z. B. Wechseljahre/Klimakterium) sowie die regelmäßige Anwendung einiger Augentropfen.
Darüber hinaus sind immer öfter auch klimatische Einflussfaktoren (z. B. Klimaanlagen oder trockene Umgebungsluft) sowie Umweltbelastungen (z. B. Stäube, Lösungsmitteldämpfe) für die Entstehung der Erkrankung verantwortlich, weshalb in den Vereinigten Staaten auch vom „office-eye-syndrome“ gesprochen wird.
Auftretende Beschwerden beim Sicca-Syndrom
Das Krankheitsbild des „Trockenen Auges“ umfasst unterschiedliche Schweregrade. Aufgrund dessen können die Symptome von einem leichten Brennen, Fremdkörper- und Trockenheitsgefühl, einer Rötung der Bindehaut, Schmerzen oder Druckgefühl sowie verklebte Augen am Morgen bis – im schlimmsten Fall – zu einer chronischen Hornhautentzündung mit deutlicher Eintrübung der obersten Schicht reichen.
Der Weg zur Diagnose
Zu Beginn des Arztbesuches steht ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten an, in dem alle Beschwerden möglichst genau geschildert werden sollten. Anschließend findet die Untersuchung des Auges statt. Der Augenarzt verwendet dafür eine sogenannte Spaltlampe, mit der das erkrankte Auge unter einer vielfachen Vergrößerung betrachtet werden kann.
Zudem können zusätzliche Tests die Diagnose festigen. Dazu zählt die Messung der Tränenfilmstabilität mittels Bestimmung der Tränenfilmaufreißzeit sowie die Messung der Tränensekretion mit einem Filterstreifen. Außerdem kann auch ein Anfärbeverfahren mit verschiedenen Farbstoffen (Lissamingrün, Fluoreszin, Bengalrosa) durchgeführt werden, da die unterschiedlichen Anfärbemuster eine exaktere Beurteilung der Augenoberfläche gewähren.
Die anschließende Behandlung
Nur bei wenigen Patienten lässt sich die Ursache der Erkrankung genau bestimmen und folglich beseitigen. Häufig muss auf die reine Behandlung der Symptome zurückgegriffen werden.
Tränenersatzmittel
Sowohl die Wirksamkeit als auch die Verträglichkeit der einzelnen Tränenersatzmittel werden sehr unterschiedlich empfunden. Es empfiehlt sich, verschiedene Präparate zu probieren. Bei der Wahl des richtigen Mittels sollte der Schweregrad des „Trockenen Auges“ bedacht werden. Bei gelegentlich auftretenden Beschwerden sind dünnflüssige Ersatzmittel sinnvoll, während Patienten mit dauerhaft starken Symptomen eher auf ein dickflüssiges Präparat zurückgreifen sollten. Bei Allergien gegen Konservierungsstoffe sowie bei einer häufigen Anwendung sollte das Tränenersatzmittel möglichst frei von Konservierungsstoffen sein. Geeignete Produkte sind meist in Einmal-Ophtiolen erhältlich und tragen oft die Bezeichnungen EDO, SE oder DU.
Da es sehr viele unterschiedliche Tränenersatzmittel gibt, werden diese in sechs Stoffklassen eingeteilt:
- Hyaluronsäure
- Carbomere
- Polyvidone
- Dexpanthenol
- Polyvinylalkohole
- Cellulose-Derivate
Bei Patienten mit einem leichten Schweregrad genügen oftmals Polyvidone, Cellulose-Derivate oder Polyvinylalkohole. Mittelschwere Verläufe sollten eher mit Hyaluronsäure, Carbomeren oder Hydroxyethyl- und Carboxymethyl-Cellulose behandelt werden.
Sollten die Augentropfen nicht mehr die erwünschte Wirkung erzielen, können darüber hinausgehende Behandlungsansätze wie Cyclosporin A-haltige Tropfen oder der Einsatz von autologen Serum-Augentropfen genutzt werden. Auch ein Verschluss der Tränenwege kann eingeleitet werden, wenn dies als sinnvoll erachtet wird.
[category_list category_name=”Hyaluronsäure in der Augenheilkunde” posts_per_page=”10″]